Artikel zur Kindheit Früher vs. Heute [Link]

Ein Artikel, der es in meinem Sinne auf den Punkt bringt. Einfach mal drüber Nachdenken.

Ich habe keine Lust, meinen Kindern eine magische Kindheit zu bescheren

[Und falls der Link in 15 Jahren nicht mehr gehen sollte, hier unten die Raubkopie:]

Bunmi Laditan auf Huffington Post 02/04/14 15:58 CEST

Wenn unsere Großmütter und Urgroßmütter sehen könnten, welchem Druck sich moderne Mütter aussetzen, würden sie denken, wir seien verrückt.

Seit wann heißt „gute Mutter sein“, dass man tagelang irgendwelche Kunstwerke für seine Kinder basteln, ihre Zimmer wie aus dem Ikea-Katalog gestalten und sie in die neuesten, trendigsten Outfits stecken muss?

Ich glaube nicht eine Sekunde, dass Mütter von heute ihre Kinder mehr lieben als unsere Urgroßeltern es getan haben. Wir fühlen uns nur verantwortlich, die Liebe zu unseren Kindern mit unglaublich teuren Geburtstagspartys zu beweisen, auf denen es Muffins gibt, die man mit 18 verschiedenen Garnierungen selbst gestalten kann.

Für ein paar Jahre war ich selbst in dem Modell „Übermutter“ gefangen. Es zwingt einen dazu, die besten Ideen zu haben, sie fehlerfrei auszuführen und dann als Beweis ein Foto auf Facebook oder irgendeinem Blog zu teilen, damit auch jeder sieht, wie toll man ist.

Plötzlich kam es über mich: Wir müssen die Kindheit unserer Kinder doch gar nicht so magisch gestalten. Die Kindheit ist von Natur aus magisch, auch wenn sie nicht perfekt ist. Meine Kindheit war nicht perfekt und wir waren nicht reich. Aber meine Geburtstage waren immer toll. Denn meine Freunde waren da. Es ging mir nicht um die Geburtstagsgeschenke, die Dekoration oder Ähnliches. Wir haben Luftballons geknallt, sind im Garten herumgelaufen und haben Kuchen gegessen. Ganz einfach. Aber wenn ich mich an diese Zeiten zurückerinnere, dann erscheinen sie magisch.

Weihnachten. Mit vier Kindern und einem begrenzten Einkommen bekam jedes Kind etwa zwei Geschenke von unseren Eltern. Keine speziellen Weihnachtsschlafanzüge. Wenig Dekoration, wenn überhaupt. Wir haben nicht einmal Plätzchen gemacht. Das, was diese Zeit des Jahres so besonders gemacht hat, waren die Nächte, in denen ich mit meinem Bruder im Bett lag und dachte, wir hören das Christkind. Es hat so viel Spaß gemacht, wach zu bleiben, zusammen zu kichern und den nächsten Morgen sehnlichst zu erwarten. Es war magisch. Ich habe nichts vermisst.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mit meinen Eltern irgendetwas gebastelt habe. In der Vorschule und der Grundschule habe ich gebastelt. Die einzigen „Basteleien“, an die ich mich noch erinnern kann, machte meine Mutter in ihrer Freizeit. Das brummende Geräusch ihrer Nähmaschine hat mich oft in den Schlaf getragen. Sie machte Accessoires aus Klamottenfetzen und verkaufte sie. Oder nähte unsere Kleidung.

Zu Hause spielten wir. Immer. Nach der Schule liefen wir von der Bushaltestelle nach Hause, schmissen unsere Rucksäcke in die Ecke und meine Mutter schubste uns aus dem Haus. Wir sind mit den Nachbarskindern umhergesprungen bis zum Abendessen. Die Zeiten haben sich geändert, und nur sehr wenige Eltern fühlen sich wohl, wenn ihre Kinder alleine unterwegs sind. Aber auch wenn wir im Haus waren, spielten wir mit unseren Spielsachen oder Videospielen. Wir machten Burgen aus Decken. Wir schauten Fernsehen. Wir rutschten die Treppen auf Kissen hinab. Unsere Eltern waren nicht dafür verantwortlich, uns zu unterhalten. Wenn wir gesagt hätten, dass wir uns langweilen, hätten wir im Haushalt helfen müssen.

Ich denke zurück und muss lächeln. Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie viel Spaß das alles machte.

Meine Eltern kümmerten sich darum, dass uns warm war und wir genügend zu essen hatten. Sie planten spezielle Aktivitäten für uns (freitags gab es immer Pizza). Doch im alltäglichen Leben konnten wir immer Kinder sein. Sie spielten nur sehr selten mit uns. Und neben Geburtstagen oder bestimmten Feiertagen bekamen wir kein Spielzeug geschenkt. Unsere Eltern waren in der Nähe, falls wir etwas brauchten oder sich jemand weh tat. Aber sie waren nicht unsere Unterhaltungsquelle.

Heute wird Eltern eingeredet, dass sie mit ihren Kindern permanent Hand in Hand und Gesicht zu Gesicht gehen müssen. „Was brauchst du, mein Liebling? Wie kann ich deine Kindheit unglaublich toll und einzigartig gestalten?“

Eine magische Kindheit entsteht nicht durch die Eltern, sondern durch die Kindheit selbst. Missbrauch und grobe Fehler können sie natürlich beschädigen, aber für ein normales Kind gehört Magie zur Kindheit dazu. Sie erscheint ganz von selbst. Das Betrachten der Welt mit den Augen eines Kindes ist magisch. Den Winter erleben und als 5-Jähriger zum ersten Mal Schnee sehen, das grenzt an Magie. Sich in den Spielsachen auf dem Flur des Elternhauses zu verlieren, ist magisch. Steine sammeln und sie in der Tasche aufbewahren, ist auch magisch. Genauso wie das Spazieren mit einem Ast.

Es ist nicht unsere Verantwortung, täglich gekünstelte Erinnerungen für unsere Kinder zu erzeugen.

Nichts davon verleugnet, wie wichtig Zeit mit der Familie ist. Aber es ist ein großer Unterschied, ob man sich auf die gemeinsame Zeit konzentriert oder auf die Konstruktion von gewissen „Aktivitäten“. Letzteres fühlt sich gezwungen an und basiert auf bestimmten Zielen, während ersteres natürlicher und entspannter ist. Es ist unglaublich, welchen Druck sich Eltern machen, um ihren Kindern möglichst einzigartige Erlebnisse zu ermöglichen.

Mir wurde erzählt, dass ich mit fünf Jahren im Disneyland war. Ich habe keinerlei Erinnerung daran, aber ich kenne die verblassten Fotografien. An was ich mich allerdings erinnere, ist das Piraten-Halloween-Kostüm, welches ich stolz trug. Ich erinnere mich daran, wie ich Pflaumen vom Baum vor unserem Haus pflückte, wie ich im Garten über Steine sprang oder wie ich mit meinem Hund an der Eingangstür spielte.

Ich erinnere mich nicht an die Urlaube, für die meine Eltern solange sparten: Die Urlaube waren eigentlich immer stressig. Der „magischste Ort auf der Welt“ in meiner Kindheit war nicht der Vergnügungspark, es war mein Zuhause, mein Bett, mein Garten, meine Freunde, meine Familie, meine Bücher und meine Gedanken.

Wenn wir aus unserem Leben ein Großereignis machen, werden unsere Kinder das Publikum und ihr Appetit für Unterhaltung wächst. Schaffen wir gerade eine Generation, die sich nicht mehr an der Schönheit des Alltäglichen erfreuen kann?

Wollen wir unseren Kinder beibringen, dass Magie etwas ist, das mit Geschenken kommt – oder das Magie etwas ist, das sie von alleine entdecken können?

Es schadet unseren Kindern zwar nicht, wenn wir ausgefallene Veranstaltungen, tägliche Basteleien oder einen teuren Urlaub planen. Aber wenn der Wunsch danach durch Druck entsteht oder durch den Glauben, dass das eben zu einer guten Kindheit dazu gehört, wird es Zeit, seine Einstellung zu überdenken.

Eine Kindheit ohne Basteleien kann magisch sein. Eine Kindheit ohne einen einzigen Urlaub kann es auch sein. Die Magie, die wir unseren Kindern so sehr wünschen, ist nichts, was wir als Eltern kreieren können. Diese Magie wird von unseren Kindern in ruhigen Momenten an einem Bach oder in einem Park selbst geschaffen. Und entfacht aus dem unschuldigen Lachen eines jungen Lebens.

Wir hören immer wieder, dass sich Kinder heutzutage zu wenig bewegen. Aber der Muskel, der vielleicht am allerwenigsten benutzt wird, ist die Vorstellungskraft.

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